Eduard Parhomenko. Himmel als Stimmungsbogen des Denkens über Tartu im Februar 1808. Zur Kant-Rezeption in Estland zu Beginn des 19. Jahrhunderts
Der Untertitel des Vortrages wurde als ‘Kant-Rezeption in Estland zu Beginn des 19. Jahrhunderts’ angegeben. So werde ich manches zur Auffassung der Kantischen Philosophie von Gottlob Benjamin Jäsche, des Schülers von Immanuel Kant und Professors für theoretische und praktische Philosophie an der Universität Tartu, damals mit deutschem Namen Universität Dorpat, sagen. In dem Zusammenhang wird es auch von Jäsches Auseinandersetzungen mit Fichte, Schelling und Hegel und über die derzeitigen philosophischen Kontroversen kurz die Rede sein.
Es geht aber in diesem Vortrag hauptsächlich um HIMMEL. Um den Himmel über Dorpat im Februar des Jahres1808. So heisst der Titel des Vortrages: ‘Himmel als Stimmungsbogen des Denkens über Tartu im Februar 1808’.
Es stellen sich die Fragen: Kann unseres Denken vom Himmel geprägt sein? Wie konnte die Auseinandersetzung mit der Kantischen Philosophie zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Tartu vom dortigen Erscheinen des Himmels beeinflusst sein?
Die Stimmung, die Jäsches Philosophieren, besonders dessen Kehre zu Beginn des 19. Jahrhunderts geprägt hat, ist aufzugreifen.
Um die Stimmung von Jäsches Philosophieren zu erschliessen, sollen wir seinem Blick in den hohen Himmel über Tartu folgen. Dem Blick, den Jäsche zusammen mit seinem Freund Carl Morgenstern eines heiteren Morgens im Februar des Jahres 1808, am zweiten Tag nach dem Tod seiner Gattin geworfen hat: “Ja, wohl, stimmten wir beide mit seinem Mund und Herzen zusammen — wohl ist die Natur, der sichtbare Himmel über uns anzusehen als ein Bild und Symbol der moralischen Welt des unsichtbaren Jenseits und über dem Sinnen- und Sternenhimmel, mit dem Auge des Geistes und des Herzens zu erspähenden Himmels, welchen das Wünschen und Sehnen und Hoffen des geistigen, idealischen Menschen gerichtet ist.”
Dieser gemeinsame Blick von Jäsche und Morgenstern hat den Himmel als Stimmungsbogen des Denkens erschlossen.
Der berühmte Beschluss von Immanuel Kants “Kritik der praktischen Vernunft” kommt hier in den Sinn:
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt oder im Überschwenglichen, außer meine Gesichtskreise suchen und bloß vermuten; ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewußtsein meiner Existenz.
Das erste fängt von dem Platze an, den ich in der äußeren Sinnenwelt einnehme, und erweitert die Verknüpfung, darin ich stehe, ins unabsehlich Große mit Welten über Welten und Systemen von Systemen, überdem noch in grenzenlose Zeiten ihrer periodischen Bewegung, deren Anfang und Fortdauer.
Das zweite fängt von meinem unsichtbaren Selbst, meiner Persönlichkeit an und stellt mich in einer Welt dar, die wahre Unendlichkeit hat, aber nur dem Verstande spürbar ist, und mit welcher (dadurch aber auch zugleich mit allen jenen sichtbaren Welten) ich mich nicht wie dort in bloß zufälliger, sonder allgemeiner und notwendiger Verknüpfung erkenne.
Der erste Anblick einer zahllosen Weltmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit als eines tierischen Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten (einem bloßen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muss, nachdem es eine kurze Zeit /…/ mit Lebenskraft versehen gewesen.
Der zweite erhebt dagegen meinen Wert als einer Intelligenz unendlich durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart, wenigstens soviel sich aus der zweckmässigen Bestimmung meines Daseins durch dieses Gesetz, welche nicht auf Bedingungen und Grenzen dieses Lebens eingeschränkt ist, sondern ins Unendliche geht, abnehmen lässt” [AA, V, 161—162].
So hat der Kantische Anschauer den Himmel für den Blick von Jäsche und Morgenstern schon aufgeschlossen. Allerdings im Februar des Jahres 1808 stimmte der Himmel über Tartu etwa anders. Im Jahre 1808 hat Jäsche in seinem Tagebuch geschrieben: „Non omnis moriar. Nicht ganz werde ich sterben.” Später hat er diese aus der Ode Horazes Exegi monumentum stammenden Wörter zum Leitspruch seines Porträts gewählt. In einem Brief an Otto von Mirbach hat Jäsche unterstrichen, dass er in einem echt philosophisch-moralischen Sinne mit voller Überzeugung hinsichtlich des Fortdauers seiner persönlichen Intelligenz folgende Wörter unter seinem Porträt geschrieben hat: „non omnis moriar!” Karl Morgensterns Meinung nach war dieses Motto vom zurückhaltenden, zwar aber gewissen Selbstgefühl Jäsches angeregt.
Obwohl der Spruch Non omnis moriar ursprünglich im Sinne des irdischen Fortdauers durch Arbeit, Schaffen, Lehre und darauf sich gründenden Ruhm verstanden wurde, deutete man das im späten 18. Jahrhunderts öfters im Sinne der Kantischen sittlich-praktischen Christlichkeit.
Und nun im Februar 1808 appelliert dieser Spruch an den HIMMEL über Tartu, dessen Heiterkeit erst eigentliche Gewissheit verschafft hat: Non omnis moriar!
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In der Tartuer Zeit vollzieht sich der Umbruch in philosophischen Ansichten von Jäsche — nämlich in den Jahren von 1808 bis 1813 ändert sich seine Auffassung der Kantischen Lehre. Von nun an sucht er Kant’s Lehre mit der Glaubensphilosophie von Friedrich Heinrich Jacobis zu vereinigen, d.h er stetzt sich mit Kant vom Standpunkt von Jacobi auseinander.
In der Zeit liegt auch der Beginn seiner Auseinandersetzungen mit Pantheismus. Das Angreifen des Pantheismus als Spinozismus und Atheismus wird demnächst zu seinem Hauptthema. So ist sein drei-bändiges Hauptwerk “Pantheismus nach seinen verschiedenen Hauptformen…” (1826, 1828, 1838) entstanden.
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Als einer der ersten wesentlichen Kritiker von Kants “Kritik der reinen Vernunft” (1781), hat Jacobi die frühere Rezeption / Aufnahme der Kantischen Philosophie stark beeinflusst.
Zunächst hat Jäsche sich als treue Schüler von Kant ganz ablehnend gegenüber Jacobi, dessen Kant-Kritik verhalten.
Später hat sich seine Einstellung verändert: er ist zur Einsicht gekommen, dass die Lehre von Kant und die Lehre von Jacobi wesentliche gemeinsame Züge haben. Nämlich hat Jäsche in der Spinozismus- und Pantheismuskritik Jacobis den Grund zur Vereinigung der Kantischen Ansichten mit den Ansichten von Jacobi entdeckt. Damit hat sich für Jäsche die Möglichkeit erschlossen, seine Ansichten zur Glaubensphilosophie von Jacobi zu annähern.
Um die Bedeutung von der Pantheimus- und Spinozismuskritik besser zu verstehen, ist zu beachten, dass aus der Lehre Spinozas eine die Rezeptzion der Kantischen Philosophie ständig begleitende Streitfrage geworden ist.
Jacobi hat mit den in seinem Buch “Über die Lehre des Spinoza, in Briefen an Herrn Moses Mendelssohn” (1785) gegen Lessing erhobenen Beschuldigungen, dass Lessing sei Spinozist, das heisst aber Atheist, die Philosophie Spinozas als das Exempel einer Weise des Denkens reaktualisiert (in dem Zusammenhang spricht man auch von Spinoza-Renaissance) und einen Skandal (Spinozismus bzw Pantheismus-Streit) verursacht.
In der Lehre von Spinoza und deren vermeintlichen Rezidiven (Spinozismus) spürte Jacobi eine solche Weise des Philosophierens auf, die alles Seinde — auch den Gott — als kausal determiniert auffasst, — dies aber führt unvermeidlich zur Aufhebung des Unterschiedes zwischen dem Gott und der Natur / Welt, damit zur Aufhebung der Transzendenz und Persönlichkeit des Gottes (d. i. zum Pantheismus), und letztendlich zum Atheismus.
Dem Inhalt nach ging der Streit um die Frage, ob die philosophische Demonstration bzw. philosophisches / rationales Beweisen, in der Art, wie man der in der Lehre Spinozas zu begegnen meinte, unvermeidlich das Abschaffen der Freiheit und damit jeder Sittlichkeit bedeutet.
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Dass Jäsche sich der Glaubensphilosohie Jacobis zugewandt hat und zum notorischen Angreifer des Spinozismus und Pantheismus wurde, ist vor dem Hintergrund des Verhältnisses zwischen der Philosophie und Theologie zu Anfang des 19. Jahrhunderts zu verstehen. Das war aber tief von Kants Lehre geprägt.
Durch die Kritik an der dogmatischen Metaphysik bzw. das Widerlegen der spekulativen Gottesbeweisen in der “Kritik der reinen Vernunft”, hat Kant der theoretischen Vernunft jedes Recht den Gott zu erkennen / begreifen abgeschafft. In der theoretischen Erkenntnis hat die Idee des Gottes nur bloß regulative Funktion erhalten. Zwar hat aber Kant das praktisch-moralisches Wissen über Gott für möglich gehalten, d. h. die Existenz Gottes aus der in der Welt vorkommenden sittlichen Ordnung und Vollkommenheit zu erklären. Der Gottes Beweis konnte nur die praktische Aufgabe einer Moraltheologie sein. Kant: “… Moraltheologie eine Überzeugung vom Dasein eines höchsten Wesens ist, welche sich auf sittliche Gesetze gründet” [AA, III, 421].
Aus der eigenen Dialektik der praktischen Vernunft entsteht das Bedürfnis die Idee des Gottes in die Grundlegung der Ethik hineinbeziehen. Wenn aber die theoretische Philosophie grundsätzlich kein Recht hat, die Idee des Gottes zu begründen, dann entsteht die Gefahr, dass durch das Einbeziehen der Idee des Gottes in die Grundlegung des Sittengesetzes die bindende / verbindende Kraft und Bedeutung der Sittlichkeit untergruben und aufgehoben wird.
Der Widerspruch bei der Begründung der Ethik durch Theologie und beim Einbeziehen der Theologie in die Grundlagen der Moral blieb den Zeitgenossen gar nicht unbemerkt.
Es fing eine Suche nach neuen Möglichkeiten an, die Theologie zu begründen. Dies konnte aber weder in einer praktischen noch theoretischen Weise geschehen.
Die Eigenartigkeit von Jacobi aber besteht darin, dass seine Glaubensphilosophie jenseits dieser erwähnten Möglichkeiten liegt, damit aber auch ausserhalb der Philosophie im strengen Sinne. Jacobi beanspruchte das philosophische Nichtwissen des Gottes mit dem unphilosopischen // nichtphilosophischen Wissen zu ersetzen.
Kant hat gezeigt, dass spekulatives Denken unfähig ist, über die Erfahrungsgrenze zur GottesErkenntnis gelangen, da dadurch bloss Hirngespinste entstehen. Die Ansicht Jacobis aber war, dass die diskurssive Erkenntnis den unnvermeidlich zum etwas Endlichen herabsetzt. Jacobi: “Gott, den man wissen könnte, wäre gar kein Gott”.
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Im Aufsatz “Was heißt: Sich im Denken orientieren?” (1786) spricht Kant vom reinen Vernunftglaube, der durch das natürliche Bedürfnis der Vernunft, die Existenz des höchstens Wesens zu vorauszusetzen, entsteht. Dieser reine Vernunftglaube ist bei Kant vom theoretischen Wissen zu unterscheiden: Dasein Gottes lässt sich nicht beweisen / beweisend zeigen, d. h. demonstrieren.
Der reine Vernunftglaube ist sowohl der Offenbarung als auch der historischen Überlieferung voarauszugehen. Der reine Vernunftglaube ist als deren Grund aufzufassen. Wir brauchen den reinen Vernunftglauben, den Begriff des Gottes, um sich im Übersinnlichen zu orientieren und unseres Bedürfnis nach Erklärung der in der Welt herrschende Ordnung und Zweckmässigkeit zu befriedigen. D. h. wir brauchen den Grund, die Erklärung, die unsere Vernunft befriedigt / zufrieden stellt. Dabei erhalten wir durch den Vernunftglaube oder Gottesbegriff aber kein Wissen über das Übersinnliche.
Anstössig am SpinozismusStreit zwischen Jacobi und Mendelssohn war für Kant vor allem der Umstand, dass dadurch das Recht der Vernunft über die Sachen, die zur übersinnlichen Welt gehören — Gott, Unsterblichkeit — und nach denen als praktischen Ideen der Mensch naturgemäss Bedürfniss hat, mitzureden untergruben wird.
Damit aber, dass Jacobi nicht nur die Möglichkeit die übersinnlichen Sachen zu erkennen, sondern zuletzt auch den Vernunftglauben als den Grund des Glaubens überhaupt in Frage gestellt hat, hat er nach Kants Meinung den Weg für jeden Aberglauben, sogar den Atheismus aufgemacht.
Keineswegs konnte aber Kant mit dem aus dem Spinozismusstreit sich zu ergebenden Schluss, dass die Philosophie Spinozas bzw. der Spinozismus die einzige mit Vernunftprinzipien übereinstimmende Auffassung des Gottes sei.
Obwohl Spinoza in Kants Augen Vertreter der dogmatischen Metaphysik war, dessen Lehre im scharfen Widerspruch zu seinem kritischen Philosophie steht, ergab sich daraus für Kant keineswegs die Unmöglichkeit des auf die Vernunft gegründeten Glaubens.
Im Fall von JÄSCHE ist entscheidend, dass unter gewissen Unständen die Kantische Auffassung des Glaubens im Sinne des VernunftsGlaubens für ihn ihre Überzeugungskraft eingebüsst und er sich dem Jacobischen Gefühlsglauben bzw. Gefühlschristentum zugewandt hat.
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Wie gehören Jäsches Himmelsblick einerseits und seine Kritik am Pantheismus andererseits zusammen? Und was für ein Anblick sollte dann der Himmel über Tartu darbieten?
Es ist zu betonen, dass Jäsche im Pantheismus und Spinozismus vor allem eine diskursive Denkweise sieht, die alles Seiende als durch Kausalität bedingt und vermittelt versteht. Damit ist für Jäsche mit einer Doktrin zu tun, die religiöses Gefühl ausschließt und die unmittelbare Gegebenheit des Gottes im Gefühl im Sinne der unbedingten Wirklichkeit verunmöglicht und dadurch den Glauben an Gott und Unsterblichkeit vernichtet.
Die unendliche Heiterkeit des Himmels im Februar 1808 sollte Jäsche die Gewissheit verschaffen, dass Wunder, Unsterblichkeit, Gott — dies alles in seiner Unerklärbarkeit / Unbegreiflichkeit eine Wirklichkeit ist — eine Wirklichkeit, in die diesseitige Welt als die Schönheit des Himmels über uns, als die Schönheit dieser Welt erscheint.
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Jäsches Blick in den Himmel war weder des Astronomen noch eines anderen Naturwissenschaftlers, der das Erscheinen des Himmels durch die kausale Bedingtheit gesehen hätte und dessen fast unendliches Fortgehen / Verlaufen des Blickes die Erweiterung der kausalen Zusammenhänge auf alles Seiende und dadurch das naturphilosophische Auflösung aller Geheimnisse (auch der göttlichen) versprochen hätte.
Obwohl Kantische Lehre die Möglichkeit, sogar das Bedürfnis die Gründe des sittlich-praktischen Glaubens — die Ideen des Gottes und der Unsterblichkeit — symbolisch und damit in ekstatischem Erlebnis zu erfahren einräumt, darf man nicht außer Acht lassen, dass laut Kant es hier nur um die sinnliche Darstellung der Vernunftideen geht; dass man hier mit den reinen Vernunftbegriffen, die grundsätzlich kein Objekt// keinen Gegenstand haben, zu tun hat. Das Gelten / die Gültigkeit dieser Vernunftideen im sittlich-praktischen Sinne kann niemals die objektive Wirklichkeit dieser Ideen (und deren entsprechenden Objekten) beweisen oder ersetzen. (Der Beweis des Daseins von Gott ausgeschlossen.)
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Wie der Himmel sich dem Blick Jäsches am Morgen des 9. Februars 1808 erschlossen hat, hängt mit dem nächtlichen Erscheinen seiner vor einigen Tagen gestorbenen Gattin — mit dem verabschiedenden Berührung des Armes. Es war aber unmöglich ein solches Erscheinen, das von Jäsche in einer scharfen Unmittelbarkeit der sinnlichen Wahrnehmungen erfahren wurde, begrifflich zu vermitteln bzw. mit Hilfe der Kategorien zu ordnen, damit kausal zu erklären — denn solches Erklären die Unmöglichkeit des postmortalen Erscheinen gezeigt hätte.
Unter dem Einfluss des Erscheinens des Übernatürlichen im desser sinnlichen Unmittelbarkeit und Schärfe (die verstorbene Frau hat den Arm Jäsches angerührt und Gute Nacht! geflüstert) konnte der sittlich-praktische Glaube an Gott und Unsterblichkeit seine Überzeugungskraft einbüßen, da in Kantischer Auffassung Gott und Unsterblichkeit bloße (subjektive) Vernunftbegriffe, bloße objektlose Ideen bleiben.
In Jäsche ist das Bedürfnis entstanden, den kantischen sittlich-praktischen Glauben zu untermauern. Als strenger Kantianer könnte Jäsche durch theoretisches Erkennen nicht tun, er konnte nicht auf die spekulative GottesErkenntnis pochen. Diesen Weg hat für Jäsche die “Kritik der reinen Vernunft” zugemacht. Auch Jacobi stimmte in der Hinsicht mit Kant überein. Für Jacobi hieß die spekulative Gotteserkenntnis Spinozismus, die zum Atheismus führt. Zwar aber vertrat Jacobi die Auffassung, dass Gott als unbedingte Wirklichkeit uns in einem Glauben, in einem Gefühl, in einer Ahnung zugänglich ist. Diese unmittelbare Gegebenheit Gottes liegt aber außerhalb jeglicher Philosophie, außerhalb jeglicher Demonstration. Eben in so einem Gefühl hat Jäsche den neuen Grund für seinen kantischen sittlich-praktischen Glaube an Gott und Unsterblichkeit gefunden.
Und so konnte der sichtbare Himmel über Tartu in seiner heiteren Schönheit nicht als ein bloßes ästhetisch-ethisches Sinnbild, d. h. als die sinnliche Darstellung der Vernunftidee, sondern als das Symbol, das die Wirklichkeit darstellt, zu der keine Kategorie des Verstandes hinreicht und die von keiner Idee der Vernunft erschöpft wird.
Die erste Veröffentlichung des Aufsatzes:
Parhomenko, Eduard. Himmel als Stimmungsbogen des Denkens über Tartu im Februar 1808. Zur Kant-Rezeption in Estland zu Beginn des 19. Jahrhunderts// 10. Internationale Kant Konferenz. Klassische Vernunft und die Herausforderungen der modernen Zivilisation: Materialien der internationalen Konferenz: in 2 Bd. Hrsg. W.N. Brjuschinkin. – Kaliningrad: Verlag der Immanuel Kant Universität Kaliningrad, 2010. Band. 2, S. 96 – 104.