Tomasz Kupś. Perspektiven neuer Forschungen an der Rezeption von Kant und neue „Kantiana” in den polnischen Sammlungen

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Tomasz Kupś

Es ist sehr viel zum Thema der Rezeption von der Kant-Philosophie in Polen geschrieben worden1. Es scheint, dass dieses Problem schon ausgiebig bearbeitet worden ist und ein abgeschlossenes Kapitel in der Philosophiegeschichte darstellt. Dieser Eindruck wird zusätzlich durch die Tatsache verstärkt, dass die ausführlichsten monographischen Auffassungen zu diesem Thema zu Beginn des 20. Jahrhunderts niedergeschrieben worden sind. Hier denke ich an die Bearbeitungen, welche von der Feder solcher Historiker wie Piotr Chmielowski, Stefan Harassek, Władysław M. Kozłowski, Maurycy Straszewski, Henryk Struve, Władysław Tatarkiewicz2 stammen.

Heute wissen wir mit Sicherheit, dass ein Teil der früher veröffentlichten Informationen unpräzise, manche gänzlich falsch waren, andere hingegen äuβerst treu den Charakter der ersten Rezeption von der Kant-Philosophie wiedergaben. Mehrere Begebenheiten führten zu diesem Sachgegenstand, welche sowohl die Spezifik der polnischen Rezeption der Philosophie von Kant beeinflussten, wie auch bestimmte Weisen ihrer Bearbeitung in den späteren Zeiten festlegten. Erst (1) werde ich die wichtigsten Eigenschaften der frühen polnischen Rezeption der Kant-Philosophie aufzählen und kurz charakterisieren, dann (2) werde ich einen Umriss zu den Möglichkeiten moderner, erweiterter Forschungen an dieser Frage darstellen.

(1)

(a) Problem der Sprache. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann die polnische Sprache (hauptsächlich dank den Bemühungen der Komission für die Nationale Bildung) erst eine polnische Sprache zu werden. Latein war für das traditionelle Schulwesen vor der Bildungsreform eine Lehrsprache. Die Sprache, welcher sich die polnischen Eliten zu dieser Zeit bedienten, war mit Sicherheit die französische Sprache, obwohl sich die Angelegenheiten in dieser Hinsicht sehr verschiedenartig gestalteten. Wie Janusz Tazbir schreibt, folgten die Eliten dem Geschmack ihres Herrschers und dem des Hofes3. Ich erwähne dies, da die erste Rezeption der Kant-Philosophie in Polen einem Zeitraum zukommt, in dem Latein als ein Synonym der Scholastischen Metaphysik behandelt wird, und Französisch nicht nur als ein Kommunikationsmittel, sondern auch als eine philosophische Wissensquelle dominiert. Wenige Gelehrte kannten die deutsche Sprache.

Eine interessante Bestätigung des Zusammenhanges zwischen der allgemein benutzten Sprache in der polnischen Wissenschaft, und der Rezeption der Kant-Philosophie ist eine Episode, welche von dem litauischen Philosophie-Historiker Dalius Viliunas beschrieben worden ist. Viliunas hat die erste (aus dem Jahre 1765 kommende) Erwähnung zum Thema des Textes in den Schriften des polnischen Autors erkannt. Es geht um die lateinischen Vorlesungen von Kazimierz Narbutt (Institutiones Philosophiae Ecklecticae […] a patrae Casimiro Narbuti. Dombrovicae, anno 1764 in 1765)4. Es sind in diesem Falle die Daten und Fakten wichtig, dass es sich die Erwähnung auf die lateinische Abhandlung von Kant handelt. „Wieso haben die litauischen und polnischen Denker erst Kant vergessen, und ihn dann erneut Ende des 18. Jahrhunderts entdeckt?” – frägt Viliunas – „die Antwort auf diese Frage kann überraschend einfach sein: deswegen, da Kant aufgehört hat in Latein zu schreiben. Die Polnisch-Litauische Philosophie wurde nämlich anfangs in lateinischer Sprache, dann – in französischer Sprache betrieben. Die Kenntnis der deutschen Sprache hingegen war miserabel, und die Mehrheit der Philosophen nutzte die deutsche Originale überhaupt nicht, was dagegen die spätere laute Kritik an Kant des Autors Jan Śniadecki, des Rektors von der Universität Vilnius bestätigt”5. Ich denke, dass diese Ansichtweise viele Verworrenheiten der Rezeption von der Kant-Philosophie, vor allem unter den frankophilen Polen erklärt.

(b) Eine starke Verbindung mit der aktuellen Politik. Es geht nicht nur um die international Politik, aber auch um die Innenpolitik des Bildungswesens der Kommission für die nationale Bildung und um die Besetzung von Universitäts-Arbeitsstellen.

Die Tatsache ist allgemein bekannt, dass als erstes nicht die Hauptwerke von Kant in die polnische Sprache übersetzt worden sind, sondern kleinere politische und historiosophischen Schriften. Als die erste Abhandlung Zum ewigen Frieden ins Polnische übersetzt wurde (von Józef Bychowiec, aus dem Deutschen; und von dem Pfarrer Szymon Bielski, aus der französischen Sprache), wurde kurz darauf auch die Übersetzung Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht von Bychowiec veröffentlicht, deren Abschriften in dem Kreis polnischer Patrioten bekannt waren6. Es gibt keine Zweifel, was das für Hauptgründe des Interesses eben an diesen Abhandlungen waren. In der Autorität von Kant suchten die Polen Argumente einer Unterstützung von der Sammel-Kritik der Politik groβer Groβmächte7. Interessant, dass diese Argumente sogar in der Abhandlung Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft gefunden wurden (wovon ein anonymer Text aus dem Jahre 1794 unter dem Titel Untersuchungen über die Rechtmässigkeit der Theilung Polens zeugt).

Eine andere Sache ist hingegen die Verstrickung der Rezeption von der Kant-Philosophie in die Politik des Bildungswesens durch die Kommission für die nationale Bildung. Die Prioritäten, welche von den Hauptschöpfern der Bildungsreform auf polnischen Erden bestimmt wurden, haben gänzlich die philosophische Spekulation zugunsten die Verbreitung des Wissens über die Natur – und was eng damit verbunden ist – seine empirischen und sensualistischen Begründungen ausgeschlossen, welche hauptsächlich in den Werken französischer und englischer Autoren gesucht wurde8. In diesem Kontext eben kam es zu einer bekannten Polemik der Texte von Jan Śniadecki gegen die neue deutsche Metaphysik, welche sich einer desto gröβeren Popularität unter der Jugend erfreute.

(c) Das Fehlen an „offiziellen” Abhandlungen über die Philosophie von Kant. Die angekündigten Abhandlungen (von A. Dowgird oder J. K. Szaniawski) sind entweder nie entstanden, oder sie sind unauffindsam verloren gegangen. Ihre Entdeckung, wenn sie überhaupt irgendwann möglich sein wird, kann nur dank systematischen Archiv-Untersuchungen getätigt werden.

Ein Paradox ist, dass die erste groβe Abhandlung, welche von einem Polen geschrieben worden ist, in der französischen Sprache erschien. Es geht um das nicht vollendete Werk unter dem Titel Philosophie critique decouverte par Kant (Marseille 1803) des Autors Józef Maria Hoene Wroński. Wroński schrieb überhaupt nicht auf Polnisch, deswegen wird seine Zugehörigkeit zu der polnischen Philosophiegeschichte in Frage gestellt. Eine unbestrittene Tatsache ist dies, dass der veröffentlichte Teil von der Monographie einer der gröβeren Bearbeitungen des Inhaltes von den Metaphysische[n] Anfangsgründe[n] der Naturwissenschaft beinhaltet.

Die ersten in der polnischen Sprache geschriebenen ausführlichen Bearbeitungen von der Kant-Philosophie wurden erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (von Leon Grabowski und Józef Gołuchowski) veröffentlicht.

(d) Die erste Rezeption der Kant-Philosophie war eines „inoffiziellen”, oder sogar eines „konspirativen” Charakters. (Kant und die deutsche Philosophie fanden viele Befürwörter unter den polnischen Jakobinern.)

Von dem „inoffiziellen” Charakter der ersten Rezeption der Kant-Philosophie in Polen sprechend, denke ich vor allem an zwei Tatsachen. Als erstes, die wertvollen Texte, welche die Kenntnis der Kant-Philosophie bestätigen oder anonym oder – eventuell – unter einem Pseudonym herausgegeben worden sind. Dies betrifft vor allem die Polemiken, welche durch die Schriften von Jan Śniadecki hervorgerufen worden sind. Dies erlaubt sogar von einem „Paradox von Śniadecki” zu sprechen. Wäre nicht seine Kritik der deutschen Philosophie, dann würden viele Abhandlungen von der Kant-Philosophie gar nicht geschrieben werden, oder würden nicht veröffentlicht werden. Eben die anonymen Polemiken zeigen die wahrhaftige – aber „inoffizielle” – Popularität der Philosophie von Kant unter den Polen. Zweitens, es gibt weiterhin eine breite Anzahl an im Druck herausgegebenen Manuskripten, welche die erhebliche Beliebtheit der Kant-Philosophie darstellen. Dies sind sowohl Texte aus Vorlesungen, wie auch für den Druck bestimmte, aber aus unterschiedlichen Gründen nicht veröffentliche Abhandlungen. Von den erkennbaren Autoren können solche Nachnamen wie Franciszek Wigura, Józef Muczkowski, Józef Jankowski, Józef Bychowiec und viele andere genannt werden.

(2)

Welche Schlussfolgerungen können anhand dessen aufgeführt werden? Mit Sicherheit bewerten wir heute den Inhalt vieler damaliger Bearbeitungen umso kritischer. Manche von ihnen enthaltenen Fakten, sind nie bestätigt worden, manche Beurteilungen sind verifiziert worden, andere warten auf eine Bestätigung oder Widerlegung. Die seit Jahren systematisch geführten historischen Forschungen bringen Resultate (es reicht aus zumindest die Veröffentlichung von Mirosław Żelazny zum Thema Józef Bychowiec zu erwähnen9). Einen realen Wissens-Fortschritt erwarten wir nach den ununterbrochen geführten intensiven Forschungen der Archivinhalte.

Eine andere Sache ist der Kontext-Charakter der heutigen Forschungen. Die Analyse der Inhalte von bekannten Abhandlungen kann in einem nicht all zu groβen Grade ein neues Wissen über die Rezeption der Kant-Philosophie liefern (obwohl auch diese Methode kann neue Resultate mit sich bringen)10. Einen neuen Sichtpunkt gewinnen wir vor allem dank der neuen Forschungsperspektive, welche nicht nur das berücksichtigt, was die Kant-Philosophie in Polen begünstigte, aber auch eine gröβere Beachtung dem schenkte, was seine Haupthindernisse darstellte. Eins der Beispiele liefert der Wettbewerbsverlauf zur Kathedrale der Kaiserlichen Vilnius-Universität, in dem Jahre 1821. Alle eingereichten Abhandlungen verraten – in einem kleineren, oder gröβeren Grade – den „kantianerischen” Charakter. Die Wahl der siegreichen Abhandlung war schwer gewesen, wenn wir darauf Aufmerksam werden, dass die „inoffziell” eingereichten Arbeiten von Jan Śniadecki, zwar dem ehemaligen Rektor, aber weiterhin eine einflussreiche Autorität, begutachtet wurden. Die Kulissen der Wahl lernen wir u.a. durch die bisher unbekannten Manuskripte von Śniadecki kennen. Die Besetzung dieser Stellung war von Bedeutung, nicht nur für die polnischen Studenten und die polnische Wissenschaft, aber auch für die Mehrheit der Gebiete des Russischen Kaiserreiches, das von der Vilnius-Universität wissenschaftlich beaufsichtigt wurde. Es gab doch aber russische Übersetzungen kritischer Abhandlungen von Jan Śniadecki (welche gegen die im 19. Jahrhundert erscheinende Mode zur deutschen Philosophie, vor allem zur Kant-Philosophie geschrieben wurden). Es ist bekannt, dass Śniadecki eine groβe Bedeutung für die Bildung des Hochschulprofiles auf dem Gebiet, das auch die Gebiete des damaligen russischen Teilgebietes umfasste, hatte. Die Verteidiger der Kant-Philosophie gegen die Vorwürfe von Śniadecki (man sprach damals von ihm als von dem „donnergewaltigen Zeus”) rekrutierten sich nicht nur unter den Polen, aber auch unter den Russen, und vielleicht auch unter den die polnische Sprache kennenden Deutschen (wovon die erste Rezension der Schriften von Śniadecki zeugt, welche in der „Allgemeine[n] Literatur-Zeitung” im Jahre 1815 (Juli), Nr. 162) veröffentlicht worden ist. Die bisher den polnischen Philosophie-Historikern unbekannten Fakten werden in Kürze in einer Antologie veröffentlicht werden, die in Zusammenarbeit mit dem Professor Alexei Krouglov entsteht11.

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Die letzte Sache auf die ich Aufmerksam mache, als eine interessante Neuigkeit, ist hauptsächlich für die Historiker interessant, welche die Geschichte der Königsberger Universität untersuchen.

Oftmals können wertvolle Festlegungen oder Entdeckungen, die ein Werk des Zufalls sind, oder die ein „Nebenprodukt” von Grunduntersuchungen darstellen, ein Ergebnis von Archiv-Untersuchungen sein. Zu solchen Glücksereignissen zähle ich die Korrespondenz von Jan Święcicki, die in den privaten Händen, bei den Verwandten des Pfarrers Franciszek Ksawery Malinowski erhalten geblieben ist12 (einem Linguisten, der den russischen Forschern genau bekannt ist). Der Pfarrer Malinowski war wieder, wie es den Historikern bekannt ist, der Sohn von Franciszek Malinowski (der Bürgermeister von Golub zur Zeiten des Herzogtums Warschau). Er war eben der Empfänger der Briefe, welche u.a. „eine vielseitige Relation eines gewissen polnischen Studenten aus Königsberg, der die Beerdigung von Kant beschrieb”13 enthielt. Diese Korrespondenz ist glücklicherweise bis zur Hälfte des 20. Jahrhunderts in privaten Händen erhalten geblieben, und befindet sich derzeitig in der Sammlung der Bibliotek der Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften [Poznańskie Towarzystwo Przyjaciół Nauk]14. Der interessanteste Teil der Sammlung enthält acht Briefe von Jan Święcicki (darunter vier, die aus Königsberg geschickt worden sind). Die Ganzheit der Korrespondenz, samt einer Bearbeitung ist von dem Wissenschaftsverlag der Nikolaus-Kopernikus-Universität zu Thorn herausgegeben worden15.

Jan Święcicki (geb. am 4. Mai 1781) empfang seine Anfangsbildung in der an einem Kloster liegenden Schule in Skępe. Dann ist er in das Gimnasium in Culm [Chełmno] eingetreten (wo er anfangs Rhetorik und später Mathematik lernte). Dort lernte er Franciszek Malinowski (den Empfänger dieser Briefe) kennen. Nach einer dreijärigen Lehre in Culm, reiste Święcicki erst zum Gimnasium nach Braunsberg [Braniewo] (um die deutsche Sprache vor dem Antritt an der Universität zu Königsberg kennenzulernen). Nach einem einjährigen Aufenthalt in Braunsberg, reiste er endlich nach Königsberg, wo er am 13. April 1803 immatrikuliert wurde (juristische Fakultät, unter der Nummer 76)16. Briefe, die er an seinen Freund verschickte, erst aus Braunsberg, dann aus Königsberg und – zuletzt – aus seinem Familienhaus in Kobrzeniec, enthalten Informationen über seine Interessen, Vorlesungen, seinen Nachhilfeunterricht, seine Unterkunft usw. Anhand der Briefe kann auch die genaue Liste der Vorlesungen rekonstruiert werden, an denen der Student Święcicki teilnahm.

In den Briefen tritt auch das „Kant-Motiv” auf, welches das wertvollste Fragment der Korrespondenz darstellt. Święcicki traf Kant nicht persönlich, aber er hat mit Sicherheit von ihm gehört, die Abhandlungen von Kant gelesen und an den Lehrstunden teilgenommen, welche anhand seiner Bücher geführt wurden. Er blieb der Schüler von den direkten Nachfolgern und Freunden von Kant17, vor allem dem Professor für Poesie Karl Ludwig Poerschke, auβerordentlicher Professor August Wilhelm Wlochatius (bei dem er Nachhilfestunden in Griechisch hatte), und vor allem dem Professor Christian Jacob Kraus18.

Samt den anderen Mitgliedern der akademischen Gesellschaft nam Jan Święcicki auch an dem wichtigsten Ereignis des Jahres 1804, der Beerdigung von Immanuel Kant, teil. Die Informationen, welche in dem Brief vom 3. März 1804 enthalten sind, stellen eine einzigartige Relation dieses Typus dar, die in den polnischen Quellen enthalten ist. Hier ein Fragment dieses Briefes:

„Am 29. Februar verabschiedete sich Kant, die Ehre und die Verzierung unseres Jahrhunderts, von dieser Welt, der das Alter von 80 Jahren eines verpilzten Alters erreichte. Zumindest nach seinem Tode hatte ich das Glück seine Gebeine zu sehen. Das kümmerliche und unscheinbare Persönchen betrachtend konnte ich kaum glauben, dass es solch einen gründlichen und tiefen Verstand besessen haben solle. Es stimmt, dass – wie man sagt – er sich selbst kaum ähnelte; er ist so ausgetrocknet, dass nur Knochen geblieben sind, was selbst deutlich darauf hindeutet, dass er so lange gelebt hat, wie er leben sollte. Seine Beerdigung ist auf den 28. Februar verlegt worden, und das nur aus diesem Grund, dass der Aufzug, den die Studenten organisieren wollten, nicht in solch einer kurzen Zeit realisiert werden konnte. Die Studenten, die zu dem Aufzug gehörten, waren alle in Trauer-Uniformen herausgegangen, um ihn mit Musikern des Kollegiums Albertinum abzuholen, zu denen – während sie die Burg entlang gingen – sich weiter ein General mit Offizieren anschloss.

Während die Glocken in der ganzen Stadt läuteten, trug Portantes (so im Aufzug bezeichneter Rang) ihn bis zur akademischen Kirche auf Händen, wo sich das Grab von Professoren befindet. Den sich dem Collegium Albertinum Nähernden ging der Minister, Gouverneur der Stadt und der Senat mit dem Kreis der Professoren entgegen, die den ganzen Zug zur Kirche begleiteten. Auf den Strassen befand sich so eine Unmenge an Menschen, dass es schwer fiel durchzukommen. In die Kirche jedoch durfte niemand anderer als diejenigen gehen, die über ein Ticket besaβen. So hast Du Nun die ganzen Königsberger Neuigkeiten bekommen.“19

Die Beerdigung von Kant ist das einzige öffentliche Ereignis, das in den Briefen von Święcicki genauer beschrieben wird. Andere historischen Fakten verlaufen wie im Hintergrund seiner privaten Geschichte. Der teilweise zerstörte Brief vom 14. November 1805 enthielt mit Sicherheit Reflexionen über die aktuelle politische Lage in Europa und in Preuβen; man kann den Inhalt des Briefes lediglich anhand der erhalten gebliebenen Fragmente erahnen. Die Übernahme des Throns durch Napoleon (am 2. Dezember 1804) war ein Ereignis, das in Kürze die politische Lage auch auf der polnischen Erde ändern sollte, wovon der letzte Brief (vom 3. Februar 1808, Miłodróż bei Płock) ist, der einen Bezug auf das damals gebildete Herzogtum Warschau beinhaltet.

Jan Święcicki kehrte in die Heimatstadt Kobrzeniec (am 19. Mai 1806), nach drei in Königsberg verbrachten Jahren zurück. Die Pläne zur Verlängerung des Philosophie-Studiums (und zur weiteren Bildung in Mathematik) sind nicht gelungen. Święcicki unternahm auch keine Probe zur Beendigung des Studiums mit einem juristischen Examen. Seine Ausrede waren die schwachen Augen. In den ersten Monaten nach der Rückkehr nach Kobrzeniec bemühte er sich zwar seine selbstständige Lektüre über die Elemente von Euklides weiterzuführen, doch die Bedingungen zu Hause begünstigten keine wissenschaftliche Arbeit. Er verstarb neun Jahre später (am 15. August 1815) an einer Lungen-Tuberkulose. In seinem letzten Willen verfügte er über die während seiner Lehre gesammelten Bücher: „Indem er am Ende, sein Testament schreibend, hinzufügt, dass die Bücher, welche er besitzt seine Nichten und Neffen, gemäβ der Interessen zur Gebrauchs- und Nutzfähigkeit ihrer erhalten sollen”20.

* * *

Ich freue mich, dass diese bescheidene Entdeckung die faszinierende Geschichte von Königsberg und der bekannten Universität bereichern kann. Ich bedanke mich vielmals bei Frau Dr. Natalia Danilkina, die die Veröffentlichung in russischer Sprache zum Thema dieser Archivalien vorbereitet hat. Ich bin überzeugt, dass die gemeinsam geführten Forschungen, vor allem der Gelehrten aus Russland, Litau und Deutschland, nicht nur zu einem Fortschritt des Wissens beitragen werden, sondern dem Kennenlernen der eigenen gemeinsamen Geschichte begünstigen.


  1. P. Chmielowski, Najdawniejsze wiadomości o E. Kancie w piśmiennictwie naszym, „Pamiętnik Literacki” 1903, z. 3; P. Chmielowski, Kant w Polsce, „Przegląd Filozoficzny”, R. 7, 1904, s. 4; Wł. M. Kozłowski, J. K. Szaniawski, [w:] Wiek XIX. Sto lat myśli polskiej, Warszawa 1907, t. 2; M. Smolarski, J. K. Szaniawski, przyczynek do charakterystyki, „Biblioteka Warszawska” 1910; M. Straszewski, Dzieje filozoficzne myśli polskiej w okresie porozbiorowym, Kraków 1912; F. Gabryl, Polska filozofia religijna, Warszawa 1913, t. 1; S. Harassek, Kant w Polsce przed rokiem 1830, Kraków 1916, Geneza i charakterystyka kantyzmu polskiego, „Przegląd Filozoficzny” 1924; M. Manteufflowa, J. K. Szaniawski. Ideologja i działalność 1815-1830, Warszawa 1936; L. Kasiński, Wpływ Kanta na Szaniawskiego, „Przegląd Filozoficzny” 1939. 

  2. Hauptbearbeitungen nach dem Krieg: S. Kaczmarek, Początki kantyzmu, Poznań 1961. 

  3. J. Tazbir, W pogoni za Europą, Warszawa 1998, s. 158. 

  4. Vgl. D. Viliunas, Od kiedy krytykujemy Kanta? Wersja litewska, „Studia z Historii Filozofii” 1 (6)/2015. [„Dlaczego myśliciele litewscy i polscy najpierw zapomnieli o Kancie, a potem ponownie odkryli go pod koniec XVIII wieku? Odpowiedź na to pytanie może być zaskakująco prosta: dlatego, że Kant przestał pisać po łacinie. Polsko-litewska filozofia uprawiana była bowiem początkowo główne w języku łacińskim, a następnie – w języku francuskim. Znajomość zaś języka niemieckiego była kiepska, a większość filozofów w ogóle nie korzystała z niemieckich oryginałów, co zresztą potwierdza późniejsza głośna krytyka Kanta autorstwa Jana Śniadeckiego, rektora Uniwersytetu Wileńskiego.”] 

  5. Ebd., S. 93. 

  6. Vgl. Anna z Zammoyskich Sapieżyna, Kanta o historii powszechnej, [w:] Recepcja filozofii Immanuela Kanta w filozofii polskiej w początkach XIX wieku. Część 1: Józef Władysław Bychowiec, Anna z Zamoyskich Sapieżyna, Jan Śniadecki, Franciszek Wigura, oprac. nauk. Tomasz Kupś, Wydawnictwo Naukowe UMK, Toruń 2014, s. 101 i nast. 

  7. M. Żelazny, Przedmowa tłumacza, [w:] Kant I., O porzekadle. To może być słuszne w teorii, ale nic nie jest warte w praktyce. Do wiecznego pokoju. Projekt filozoficzny, Toruń 1995. 

  8. Vgl. ks. S. Janeczek, Komisja Edukacji Narodowej. Perspektywy badawcze w kręgu historii kultury intelektualnej, „Roczniki Kulturoznawcze”, t. 1, 2010. Das am öftesten angegebene Beispiel in dem Lehrbuch für Logik, das für die Kommission für die nationale Bildung geschrieben worden ist und zwar von É. B. de Condillaca: La Logique ou les premiers développements de l’art de penser. Paris 1780 (polnische Übersetzung: Logika czyli pierwsze zasady sztuki myślenia, dzieło elementarne… na żądanie bywszej Komisji Edukacyjnej Narodowej dla szkół publicznych napisane i od niej aprobowane, a teraz z przydatkiem niektórych objaśnień i przypisów przez Jana Znoskę z francuskiego na polski język przełożone. Wilno 1802, 18193

  9. M. Derc, M. Żelazny, Nieznany poemat filozoficzny Józefa Bychowca, „Acta Universitatis Nicolai Copernici”, Filozofia XIV (1993), z. 250; M. Żelazny, Przedmowa tłumacza, w: Kant I., O porzekadle. To może być słuszne w teorii, ale nic nie jest warte w praktyce. Do wiecznego pokoju. Projekt filozoficzny, Toruń 1995; M. Żelazny, Józef Władysław Bychowiec. Nota bio- i bibliograficzna, w: Filozofia na Uniwersytecie Wileńskim, red. R. Jadczaka, J. Pawlaka, Toruń 1997; M. Marciniak, M. Żelazny, Rozprawka Józefa Bychowca o Kancie, „Filo-Sofija”, nr 1 (8), 2008. 

  10. T. Kupś, Die Erste Versuch, die Kantische Religionsphilosophie In Polen zu verbreiten, „Studia z Historii Filozofii” 1(5)/2014, s. 125 i nast. 

  11. Es geht sowohl um die Übersetzungen der Schriften von Śniadecki in die russische Sprache, aber auch um die polemischen Texte. Vor allem von W. P. Androsov (1803–1814). Die erwähnte Bearbeitung erscheint in Kürze in der Serie Recepcja filozofii Immanuela Kanta w filozofii polskiej w początkach XIX wieku. Część 3: Polemiki z Janem Śniadeckim

  12. Der Pfarrer Franciszek Ksawery Malinowski (1807–1881) war ein bekannter Linguist, der sich auf dem Gebiet der Forschung an dem Sanskrit der litauischen, altslovenischen Sprache und den heutigen slawischen Sprachen spezialisierte. Auβer den Wörterbuch-Veröffentlichungen und den Bearbeitungen, welche die Grammatik vieler Sprachen (die polnische, altslawische Sprache oder Sanskrit), gab er auch Übersetzungen von ausländischen Werken und wissenschaftliche Arbeiten heraus, welche die Schreibreform der polnischen Sprache bezweckten. Das bekannteste wissenschaftliche Projekt von Malinowski strebte die Bildung eines universellen Alphabets für slawische Sprachen an. Bis zu seinem Lebensende blieb Malinowski mit Posen und der Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften, deren Mitglied und Begründer er war verbunden. Die restlichen Manuskripte und die reiche Büchersammlung kamen nach seinem Tode in die Bibliothek der Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften und sind dort bis heute vorhanden. Unter den nicht veröffentlichten Materialien finden sich Bearbeitungen, welche die Grammatik der polnischen, litauischen, armenischen, russinischen und altslawischen Sprache betreffen. Ebenfalls das Quellenwörterbuch der slawischen Sprachen und das Wörterbuch der litauischen Sprache. Vgl. Nowy Korbut, t. 8 (Romantyzm), Warszawa 1969, s. 343–345; A. A. Kryński, Album biograficzne zasłużonych Polaków i Polek wieku XIX, t. 1, Warszawa 1901 (Ks. Franciszek Ksawery Malinowski). 

  13. [„wielostronicową relację pewnego studenta polskiego z Królewca, który opisywał pogrzeb Kanta”] Brief von Barbara Górska-Kozłowska vom 25. Mai 1956 an die Posener Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften, [w:] Korespondencja Biblioteki PTPN. Listy od poszczególnych osób A-Ł (437/56). Eine umfangreiche Korrespondenz von dem Pfarrer Malinowski fand sich vor dem Zweiten Weltkrieg in der Wohnung der Eltern von Barbara Górska-Kozłowska in Labischin [PL: Łabiszyn]. Die Mehrheit der Korrespondenz ist im Laufe der deutschen Okkupation während des Zweiten Weltkrieges geraubt worden. Die bedeutendsten Briefe hat sie (von Libelt, Cieszkowski, de Courtenay’a, Hilferding, Małecki und anderer) kurz vor dem Krieg in der Bibliothek der Familie Raczyński in Posen deponiert, leider sind sie während eines Brandes zerstört worden (Brief vom 5. Mai 1956.; 187/56). 

  14. Biblioteka PTPN, rkps 969: „Zbiór korespondencji Franciszka Malinowskiego z lat 1800–1808”) (Inwentarz rękopisów Biblioteki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk (sygn. 1–1950), oprac. Bernard Olejniczak i Joanna Pietrowicz, Warszawa 2008, s. 213). 

  15. Jan Święcicki, Listy z Królewca, opracowanie naukowe Tomasz Kupś, Wydawnictwo Naukowe UMK, Toruń 2015. 

  16. Swięcicki Joh., Kobrzeniec ad Rypin. Boruss. meridional., iur.”, Georg Erler, DieMatrikelder Albertus-Universität zu Königsbergi. Pr., Leipzig 1917, Bd. 2, s. 665. 

  17. S. Dietzsch, Immanuel Kant. Biografia, tłum. Krystyna Krzemieniowa, Warszawa 2005, s. 208. 

  18. Johann Daniel Metzger, Ueber die Universität zu Königsberg. Ein Nachtrag zu Arnoldt und Goldbeck, Königsberg 1804, s. 65. 

  19. Jan Święcicki, Listy z Królewca, opracowanie naukowe Tomasz Kupś, Wydawnictwo Naukowe UMK, Toruń 2015, s. 70–73. 

  20. [„Na koniec, piszący testament, dodaje że księgi które posiada mają otrzymać siostrzeńcowie i bratankowie, wedle zainteresowań do zdatności i zdolności korzystania z nich”] Staatsarchiv in Plock [PL: Płock]: Hipoteka płocka (zespół nr 1022): Hypothekarische Bücher und Akten von Gerichten in Rippin [PL: Rypin] (Kobrzeniec, sygn. 173–179), k. 9.